Er ist einer der großen Mythen des Radsports. Quasi das Atlantis für Zweiradfreunde, das pedalierende perpetuum mobile. Theoretisch vorhanden, praktisch aber unerreichbar: der runde Tritt. Wie schön wäre das: Mit maximaler Effizienz treten und sich dadurch einen Vorteil herausholen. Warum das in der Praxis leider nicht 100% umsetzbar ist und warum es dennoch erstrebenswert ist, dem runden Tritt möglichst nahe zu kommen, wollen wir dir gerne erklären.
🕵️♂️ Gibt es den runden Tritt wirklich?
Wie wir dir schon in der Einleitung verraten haben, gibt es den runden Tritt beim Fahrrad leider in der Praxis nicht. Zumindest nicht, wie er in der Theorie angenommen wird. Aber fangen wir von vorne an…
Der perfekte runde Tritt überträgt während einer kompletten Kurbeldrehung gleichmäßig viel Kraft in den Antrieb. Die Umdrehung eines Pedals gliedert sich in vier Phasen:
- Schubphase: 315 Grad bis 45 Grad
- Druckphase: 45 Grad bis 135 Grad
- Gleitphase: 135 Grad bis 225 Grad
- Zugphase: 225 Grad bis 315 Grad
Danach beginnt der Zirkel von vorne. Wir bleiben weiter theoretisch: Der optimale Wirkungsgrad der eingesetzten Kraft ergibt sich immer dann, wenn die Kraft tangential zum Kurbelkreis wirkt – also im 90-Grad-Winkel.
In der Praxis muss der Radfahrer also in der Schubphase mit maximaler Kraft nach vorne schieben und in der Gleitphase bei ca. 180° maximal nach hinten ziehen. Mal ganz ehrlich: Selbst wir können das nicht.
Bei den meisten Fahrern entsteht die größte Kraft in der Druckphase, wenn der Oberschenkel mit voller Kraft hinunter drückt. Das aktive Schieben und Ziehen ist koordinativ gar nicht so leicht umzusetzen und – so zeigen es Untersuchungen – kann sogar mit einem ungleich höheren Energieaufwand einhergehen.
Daraus kann man schon erahnen, dass ein runder Tritt auch nur bedingt erstrebenswert ist. Aber ist dadurch alles, was es zum Thema zu sagen gibt, schon abgehandelt? Mitnichten! Denn eine Phase haben wir noch gar nicht betrachtet: die Zugphase.
Der Vorteil einer betonten Zugphase
Die im Uhrzeigersinn gesehen vierte Phase der Pedalumdrehung wird immer dann zum „Joker“, wenn die Obeschenkelvorderseite müde wird. Drückt man an einem Anstieg lange und hart und merkt, dass die Beinstrecker müde werden, kann man diese über eine betonte Zugphase entlasten. Zwar werden dann die Beinbeuger, also die Oberschenkelrückseiten, dadurch stärker gefordert, allerdings kann man in extremen Situationen so einen Vorteil erhalten.
Außerdem kann man mit einer betonten Zugphase durchaus mehr Kraft effizient ins System übertragen – auch in der Ebene.
Den „fast“ runden Tritt erlernen
🔄 Wie kann ich mein Trittmuster beeinflussen?
Offensichtlich ist der runde Tritt also weder erreichbar, noch in vollem Maße erstrebenswert. Dennoch bringt es einige Vorteile mit sich, wenn man sein Trittmuster trainiert, nicht zuletzt um eine starke Zugphase in die Umdrehung zu integrieren.
Um also die Tritttechnik zu trainieren, gibt es einige einfache Übungen, die du größtenteils während einer Radausfahrt ausführen kannst:
- Einbeiniges Fahren: Dabei ist nur ein Bein eingeklickt, das andere hängt locker. Hier solltest du eine niedrige Trittfrequenz wählen, damit du jede Bewegung bewusst wahrnimmst und die Möglichkeit hast, sie zu beeinflussen. Nach einem 15-20-minütigen Warmup wechselst du immer wieder ab und fährst etwa 30 Sekunden mit nur einem Bein. Das Ganze wiederholst du pro Bein zehn Mal.
- Niedrige Trittfrequenz: Bei 50-60 Umdrehungen pro Minute kann man die gesamte Bewegung besonders bewusst ausführen. Wichtig dabei ist, dass du ruhig im Sattel sitzt.
- Hohe Trittfrequenz: 90-100 Umdrehungen pro Minute sind bei dieser Übung erstrebenswert. Achte darauf, jede Phase zu betonen und bleibe fest im Sattel. Ein Herumhüpfen solltest du unbedingt vermeiden.
- Runder Tritt mit Theraband: Diese Übung geht sogar ohne Rad. Suche dir eine stabile Befestigung für ein elastisches Theraband und spanne deinen Spann darin ein. Das Band sollte immer leicht gespannt sein. Jetzt beschreibst du mit dem eingespannten Fuß die Trittbewegung. Der Oberkörper und die Arme sollten ruhig in Position bleiben.
🚵 Ist der runde Tritt beim MTB anders als beim Rennrad?
Die schon beschriebenen Vorteile einer variablen Tritttechnik sind auch auf das Mountainbiken übertragbar, vor allem natürlich für die ausdauerbetonten Spielarten wie XCM- oder All-Mountain. Eine gleichmäßige Trittfrequenz sorgt nicht nur für besseren Vortrieb, sondern hilft ebenso dabei, einen gleichbleibenden Grip beizubehalten und ein Durchrutschen zu verhindern.
✔️ Gibt es eine ideale Trittfrequenz?
Wir haben im Beitrag jetzt schon einige Male das Thema Trittfrequenz auf den Plan gebracht. Nicht erst seit den bekannten Duellen von Lance Armstrong und Jan Ullrich oft diskutiert: Was ist besser, eine hohe flüssige oder eine niedrige kraftvolle Trittfrequenz?
Rein physikalisch ist es die letzte Variante. Bei etwa 60 Umdrehungen pro Minute erreichen die Muskeln einen hohen Wirkungsgrad. Dabei spielen aber natürlich auch phsyiologische Faktoren eine Rolle – z.B. die Blutzirkulation, die nachgewiesenermaßen bei höherer Umdrehungszahl schneller ist.
Aktuell geht man ganz generell davon aus, dass eine Trittfrequenz von 100-110 pro Minute optimal ist. Bei Triathleten auf der Mittel- und Langdistanz liegt sie etwas geringer, bei etwa 90 Umdrehungen pro Minute.
Fazit
Der runde Tritt ist und bleibt also was er schon ist: ein Mythos. Die eigentliche Ableitung des Ganzen, nämlich die Optimierung der Tretbewegung, ist allerdings keiner. Es ist durchaus möglich, die Pedalierarbeit dahingehend zu verbessern, dass die Effizienz gesteigert bzw. Kraft gespart wird. Das ist schon mit einfachen Übungen trainierbar, die du in dein Training integrieren kannst. Dies gilt auch für die Mountainbiker.