„Stoppt Sitzstress!“ So das verheißungsvolle Versprechen des Koblenzer Sattelherstellers Terry. Stress, im Allgemeinen schon ein Zustand, auf den man gut und gerne verzichten kann – und dann auch noch in Zusammenhang mit Gesäßschmerzen beim Radfahren? Nein, das muss wahrlich nicht sein, bleibt der Fahrspaß dadurch doch erheblich auf der Strecke. Ich hatte diesen unangenehmen Stress in jüngster Vergangenheit. Wie passend, dass ich im Rahmen der Eurobike Academy auf den Sport-Sattel Arteria von Terry aufmerksam gemacht wurde. „Druckfrei, wo es darauf ankommt“, war die allumfassende Kernaussage des Produkt-Seminars, die durch ein für mich logisches Konzept belegt wurde. Aber war es das auch in der Praxis? Ein nicht ganz gewöhnlicher Produkt-Test brachte die Erkenntnis.
Optik vs. Nutzen
Zugegeben, als ich den Arteria schließlich in Händen hielt, war mein erster Gedanke: Der ist hinten schon etwas breit – und schaut der nicht eher nach Trekkingbike aus? Ja, im Vergleich zu den Sätteln, die ich bisher auf das Sattelrohr geschraubt habe, wirkt der Arteria voluminöser und dadurch weniger minimalistisch und raceorientiert. Aber hey, es kam mir in dem Fall nicht auf die Optik, sondern vielmehr auf den praktischen Nutzen an. Wie dieser sich schließlich in meinem Rennrad-Alltag niederschlägt, verrate ich später, werfen wir doch zunächst mal einen Blick darauf, um welchen Sattel es sich genau handelt.
3-Zonen-Komfort-Prinzip
Mein Test-Sattel war der Terry Race Comfort Fly Arteria Gel in der Standard-Variante mit 270 g (für einen Sitzknochenabstand von 9-12 cm, den ich in einer unserer Fahrrad XXL Filialen gemessen habe). Das Modell wird zudem in einer Max-Ausführung angeboten, die Personen bedient, die einen Sitzknochenabstand von 12-15 cm haben. Der Arteria verfügt über eine breite, nach hinten auslaufende Entlastungsöffnung, die laut Hersteller Druck auf den Dammbereich verringern und Taubheitsgefühle verhindern soll. Zudem ist der Sattel mit einer Gelschicht ausgestattet, die vor allem im Sitzknochenbereich den Sitzkomfort erhöhen und gleichzeitig die Stöße der Fahrbahn absorbieren soll. Und weiter heißt es aus Herstellersicht:
Mit dem Fly Arteria entwickelt Terry das 3-Zonen-Komfort-Prinzip erfolgreich weiter. Es verfolgt folgenden Ansatz: Die Entlastungsöffnung reduziert den Sitzdruck im Damm- und Genitalbereich. Der Übergangsbereich ist weich und komfortabel. Der Kantendruck wird minimiert. Die Sitzfläche verteilt gleichmäßig den Sitzdruck und orientiert sich dabei am Sitzknochenabstand und der Sitzposition des Sattelnutzers in seinem jeweiligen Einsatzgebiet.
50-km-Sattel-Test
Ok, soviel zur subjektiven Produkt-Beschreibung – nun wollte ich mir aber mein eigenes Bild davon machen. Nachdem ich den Arteria aufgeschraubt und in die richtige Position gebracht hatte, nahm ich eine erste kurze Testrunde unter die Räder. Wie immer, wenn ich etwas Neues ausprobiere, ist da eine gewisse Skepsis. Doch schon beim Berühren des Gesäßes mit dem Sattel und bei den ersten zaghaften Kurbelumdrehungen, machte sich ein Lächeln in meinem Gesicht breit. Dieses wurde zunehmend breiter, als ich Kilometer um Kilometer abspulte. Es war ein extrem bequemes Sitzgefühl – auf irgendeine Art hatte ich den Eindruck, auf einem Schreibtischstuhl zu sitzen, aber dennoch dynamisch für Power auf den Pedalen sorgen zu können. Für dieses Empfinden ist die dünne Gelschicht verantwortlich, die die Sitzknochen bei jeder Umdrehung angenehm in ihrer weichen Polsterung aufnehmen. Lästige Druckschmerzen, wie ich sie so oft in dem Bereich hatte, verspürte ich keine. Auch der Dammbereich, der für viele Radfahrer eine sensible Zone ist, blieb schmerzfrei.
1100-km-Sattel-Test
Das waren die Eindrücke einer 50-km-Tour. Doch wie sieht es aus, wenn man mehrere Stunden im Sattel sitzt? Und das mehrere Tage hintereinander? Es war im Vorfeld eigentlich nicht geplant, mit dem Arteria diese Tour zu bestreiten, da er aber nun mal aufgeschraubt war und beim ersten Ausprobieren eine gute Figur gemacht hatte, musste er sich sozusagen einem Dauertest unterziehen. Mein Plan war nämlich, vom heimischen Giessen nach Neumünster zu radeln – und wieder retour. Im Gesamten bedeuteten dies rund 1100 km. Um es sofort aufzulösen: Der Arteria machte einen richtig guten Job – zumindest auf der Hinfahrt. Aber dazu gleich mehr. Auf der Hinfahrt hatte ich lediglich leichte Druckschmerzen im Bereich der Sitzknochen, die sich meiner Meinung nach bei so einer langen Tour nicht komplett vermeiden lassen. Der Dammbereich blieb komplett schmerzfrei. Auch hatte ich bisher immer Probleme damit, dass ich mir aufgrund der Tretbewegung die Oberschenkel-Innenseite leicht wundgescheuert habe. Auch dieses unliebsame Leid blieb aufgrund der vorteilhaften Sattel-Geometrie aus.
Doch wie gestaltete sich die Rückfahrt? Wider Erwarten teilweise schmerzhaft, konnte ich doch zeitweise nicht länger als 15 Minuten im Sattel sitzen, ohne Schmerzen zu bekommen. Aber nach Austausch mit anderen Langstreckenfahrern war klar: Der Sattel kann in diesem Falle nichts dafür, vielmehr ist das einer völlig normalen Reaktion des Körpers nach solch einer langen Belastungsdauer geschuldet. Zudem hatte ich im Vorfeld der Tour noch nicht die großartigen Radumfänge in den Beinen bzw. im Gesäß, sodass auch dies ausschlaggebend gewesen sein könnte.
Montage des Sattels
Um die Montage deines Sattels möglichst einfach zu gestalten, empfehlen wir dir je nach geplanter Arbeit, dein Fahrrad auf dem Fahrradständer oder dem Hinterbauständer abzustellen oder einen Montageständer zu benutzen. Außerdem solltest du immer mit den passenden Minitools und dem richtigen Fahrrad Werkzeug zur Montage arbeiten. Dafür gibt es übrigens spezielle Fahrradwerkzeug-Koffer.
Fazit
Der Arteria hat meinen Sitzstress definitiv gestoppt und aufgrund ausbleibender Schmerzen meiner Gesäß-Problembereiche erheblich zum Fahrspaß beigetragen. Da ich ihn lediglich auf Trainingsfahrten verwende, kann ich aber nur dafür ein Urteil aussprechen. Wie sich der Sattel in Rennsituationen verhält – ist er trotz ausgeklügeltem Komfortprinzip „direkt“ und „aggressiv“ genug, um die nötigen Watt auf die Straße zu bringen? – kann ich nur vermuten. Sicher sagen kann ich aber: Abgesehen von der meiner Meinung nach nicht ganz so cleanen Optik ist der Sattel sehr bequem und für mich ein echter Kauftipp für schmerzgeplagte Rennradfahrer.
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Ich meine schon nach der ersten Stunde im Terry Sattel, dass ic 50 Jahre lang verkehrte Sättel fuhr.
Satteltest ist ein Problem.
Ich habe noch keinen Händler gefunden, welcher definitiv sagt, man darf den Sattel Test.
I.A. die Aussage, nach dem Test ist der Sattel gebraucht und ein Weiterverkauf ist nicht möglich.
Als Hersteller bietet nur SQLab Testsättel an und der Tausch ist ohne Probleme möglich.
Das ist meine Erfahrung mit dem Sattelkauf, kaufen ja aber Probieren NEIN.
Sehr geehrte Damen und Herren !
Ja , der Beitrag ist sehr umfangreich, vor allem auch ehrlich.
Heute habe ich einen Terry Sattel erworben , morgen werde ich ihn ausprobieren.