Staatliche Förderung für Lastenräder, Lastenrad–Festivals und nun auch eine ganze Cargo Bike Area auf der Eurobike Show 2018 – vor ein paar Jahren galten sie noch als Exoten der Fahrradbranche, nun sind Lastenräder wohl endgültig im Mainstream angekommen. Überwältigt von der Vielfalt, bei der wirklich für jeden Bedarf etwas dabei ist, sticht ein Modell allerdings besonders hervor: Das muli des hessischen Start-ups muli-cycles. Schlank und kompakt in minimalistischer Optik wirkt es geradezu grazil neben seinen Kollegender anderen Hersteller aus dem Lastenradsegment. Die besondere Kompaktheit und Flexibilität für die urbane Stadtmobilität des muli hat auch die Eurobike Jury überzeugt und den hessischen Newcomer mit dem Start-up Award und dem Gold Award 2018 in der Nachwuchskategorie ausgezeichnet. Wir sprechen mit Oliver Philipps von muli–cycles über das flexible Lastenwunder.
Hey Oliver, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurem Awardgewinn! Wenn man sich hier auf der Eurobike umschaut, dann wird deutlich, das Lastenrad ist absolut populär! Was unterscheidet euer muli von den anderen Lastenrädern, die hier zu sehen sind?
Vielen Dank! Das muli ist für den städtischen Alltag konzipiert. Es hat im Prinzip einen 2 in 1 Ansatz. Es ist einerseits ein agiles, kompaktes Alltagsfahrrad und auf der anderen Seite trotzdem auch ein leistungsfähiges Lastenfahrrad. Um das zu erreichen hat es zwei Hauptcharakteristiken. Das eine ist die Gesamtlänge des Fahrrads, denn das Muli ist unter 2 m lang, genau genommen 195 cm. Man kann es leicht tragen, es passt aufgrund der Kürze in jeden Parking Spot, man kann es mit in den Aufzug nehmen und letztendlich kann man das Muli auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen. Die andere Hauptcharakteristik ist der faltbare Korb, den man durch einen Schnappverschluss mit einem Handgriff öffnen oder schließen kann. Der Faltkorb hat ein Volumen von 100 l und kann bis zu 70 kg beladen werden. Und genau das macht das Muli eben so einzigartig im Moment und besonders gut geeignet für den städtischen Alltag, dass es eben so kurz ist und diesen faltbaren Korb hat.
Ist das Muli auch eine Mobilitätsalternative für Familien mit Kindern?
Selbstverständlich ist das muli auch für den Kindertransport geeignet. Dafür haben wir einen Kindersitz entworfen, der sich ganz einfach in wenigen Sekunden ein- und wieder aushängen lässt. Man kann selbst entscheiden, ob die Kinder in oder gegen die Fahrtrichtung schauen sollen, denn der Sitz lässt sich in beide Positionen einhängen. Da der Sitz wie eine Hängematte im Korb schwebt, sitzen die Kinder auch sehr bequem. Stöße und Unebenheiten des Bodens werden dadurch abgefedert. Gerade die Tatsache, dass man den Sitz auch gegen die Fahrtrichtung ausrichten kann, ist besonders für Familien mit Kleinkindern sehr attraktiv, da man dadurch stets Blickkontakt hat und mit den Kleinen auch währen der Fahrt interagieren kann. Außerdem kann das muli natürlich auch bei Regen genutzt werden, dafür sorgt ein Regenverdeck, das wir als Zubehör anbieten und sich über dem Korb aufspannen lässt.
Wie seid ihr auf diese kompakte Idee gekommen?
Die Projektidee kam tatsächlich aus dem persönlichen Bedarf – ein Leben in der Stadt, man will sich eigentlich kein Auto kaufen, kein Auto nutzen. Am liebsten ist man eigentlich mit dem Fahrrad unterwegs und erledigt damit alles, aber mit dem normalen Fahrrad kann man eben nicht alles machen und Lastenräder sind irgendwie groß, schwerfällig und teuer. Und so ist die Idee geboren worden, etwas zu erfinden, was eben genau diesen Ansprüchen der Fahrradmobilität in der Stadt gerecht wird. Gründer sind die zwei Brüder Sören und Jonas Gerhardt. Sören ist Designer und hatte auch die ursprüngliche Projektidee und Jonas kommt aus der Schweißtechnik. Somit war die perfekte Kombination und das Know-How gegeben, um dieses Projekt im Jahr 2015 zu starten. Letztes Jahr ist das muli auf den Markt gekommen. Wir sind jetzt also im zweiten Geschäftsjahr.
Wie ist euch der Einstieg in die Fahrradbranche gelungen?
Letztes Jahr haben wir mit einer Crowdfunding-Aktion begonnen und haben direkt im Anschluss daran unseren Onlineshop gestartet. Am Anfang ging also erst einmal alles über den Direktvertrieb, was bei der kleinen Stückzahl im ersten Jahr auch völlig ausreichend war. Und seit diesem Jahr versuchen wir unser Händlernetzwerk auszubauen und suchen auch nach wie vor in ganz Europa nach Händlern. Die meisten Händler kommen natürlich aus Deutschland, weil wir hier gestartet sind und zunehmend vertreiben uns nun auch Händler aus dem europäischen Ausland.
Das Lastenrad steht für nachhaltige Mobilität und für einen Lebensstil, der sich an einem umweltbewussten und umsichtigen Umgang mit den Ressourcen unserer Erde orientiert. Versucht ihr diese Werte in eure Unternehmenskultur und auch bei der Produktion des muli zu leben?
Das ist uns selbstverständlich sehr wichtig. Das muli wird komplett in Deutschland hergestellt, wie z.B. der Rahmen und sogar die einzelnen Rohre werden hier gefertigt. Die Endmontage erfolgt ebenfalls hier in Deutschland. Das ist eine Besonderheit in der Branche, weil ein Großteil der Rahmen eigentlich aus Fernost kommt. Das Fahrrad ist im Prinzip ja ein nachhaltiges Produkt, weil es für eine nachhaltige Mobilität in den Städten steht. Wir wollen aber nicht nur ein Produkt für eine nachhaltige Lebensweise herstellen, sondern auch den Produktionsprozess dieses Produktes nachhaltig gestalten, deshalb sind faire Arbeitsbedingungen und ökologische Standards integrale Bestandteile unserer Unternehmenskultur.
Wer sind eure Fans?
Junge, städtische Familien, für die der Nutzen des muli vor allem durch den Kindersitz und den faltbaren Korb sehr groß ist, da er eine flexible Alltagsmobilität ermöglicht. Zum Beispiel wenn Eltern ihre Kinder morgens in die Kita bringen und danach weiter zur Arbeit müssen, können sie einfach den Kindersitz aushängen, den Korb zuklappen und weiter geht’s mit einem schlanken Stadtrad. Aber auch Kreative, Selbstständige sind die Zielgruppe und fühlen sich vom muli angesprochen. Das muli ist auch in einer E-Version mit 300 Wh oder 600 Wh starkem Pendix Mittelmotor erhältlich, welche vor allem dann Sinn macht, wer alltäglich große Lasten zu transportieren hat oder in hügeligen Gefilden wohnt.
Abgasskandal, Fahrverbote und Verkehrschaos in den Städten – die aktuellen Ereignisse fordern eine neue Definition von urbaner Mobilität. Das Fahrrad und insbesondere Mobilitätsalternativen zum Auto, wie z.B. Lastenräder bekommen wachsende Aufmerksamkeit. Wie siehst du die Zukunft des Radverkehrs?
Was wir momentan erleben ist ja, dass die Wahrnehmung des Fahrrads einen Wandel erlebt. Vorher war das Fahrrad eher ein Sportgerät und die Fortbewegung mit dem Fahrrad, wurde hauptsächlich als gesundheitsfördernd und ökologisch sinnvoll angesehen. Was wir mittlerweile erleben ist, dass eine andere Wertschätzung des Fahrrads eintritt. Fahrräder sind mehr als gesunde Fortbewegungsmittel, die auch ökologisch sinnvoll sind, sondern sie sind inzwischen eine reale Mobilitätslösung für Städte. Getragen wird dieser Wandel vor allem vom bürgerlichen Engagement, man hat irgendwie das Gefühl, das kommt so von unten und wurde von verschiedenen Plattformen und Initiativen vehement eingefordert. Und man merkt so langsam, dass das auch in der Politik angekommen ist. Ein Beispiel sind staatliche Fördermittel für den Kauf von Lastenrädern. In Berlin war das dafür geplante Budget bereits am ersten Tag der möglichen Antragstellung vergeben und für kommendes Jahr ist nun schon das doppelte Budget geplant. Man sieht an allen Ecken und Enden, dass der Bedarf nach dieser Form der Mobilität vorhanden ist und eingefordert wird von der Bevölkerung. Aber klar, das ist erst der Anfang. Da sollte sich noch viel mehr tun, Fördermittel sind zumindest schon ein sehr zu begrüßender Anfang. Aber vor allem in Sachen Infrastruktur ist noch viel Aufholbedarf. Deutschland gehört zwar zu den moderneren Ländern in Sachen Fahrradmobilität, aber wenn man sich die Vorreiter wie Dänemark anschaut, dann wird deutlich, dass wir hier bei uns noch viel zu tun haben.
Wie sieht die Zukunft für euch aus? Plant ihr neue Projekte?
Vorerst geht es uns jetzt erst einmal darum mit dem muli zu wachsen. Das muli kommt super gut an, aber es gibt natürlich immer noch ein paar Details, die wir verbessern wollen. Wir sind als Projekt gestartet und sind jetzt dabei ein Unternehmen zu werden, weshalb der Fokus nun erst einmal darauf liegt, das voranzubringen und das muli weiter zu etablieren.
Dafür viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch, Oliver.
Datenblatt muli | |
Länge | 195 cm |
Gewicht | 24 kg |
Gesamtzuladung | 170 kg, Verteilung: 100 kg Fahrer, 70 kg Lastenkorb |
Lastenkorb | Alu Lochblech, klappbar |
Korbbreite | 60 cm aufgeklappt, 28 cm zusammengeklappt |
Korbzuladung | 70 kg |
Grundfläche | 35×50 cm |
Korbvolumen | 100 l |
Eurobox-Auflagen | Box 40 x 60 cm |
Rahmen + Gabel | CrMo-Stahlrohrrahmen, pulverbeschichtet |
Bremsen | Hydraulische Scheibenbremsen Shimano, vorne und hinten |
Schaltung | Getriebenabe ShimanoAlfine8-Gang |
Kurbelgarnitur | StronglightImpactComapct1-f 50T, Kettenblatt wechselbar |
Vorbau | Alu,Crap2,Ahead28.6/25.4 mm,ergotec |
Vorbauadapter | Alu, Up & Down 25.4 mm/ 100mm höhenverstellbar, ergotec |
Pedale | Polypropylen, 7mmCrMoStahl, Achse, 9/16 Kugellager, mit rutschfestem Sandpapier, StVZO konform, ergotec |
Lenker | MAS-Stahl, Riser, ergotec |
Licht | vorne: Akku Sport, mit USB Ladebuchse, StVZO konform / hinten: Micro Light, mit USB Ladebuchse, StVZO konform |
Ständer | Jumbo Zweibeinständer, max. Belastung 80kg, Ursus |
Sattelstütze | Alu, Hookergotec |
Griffe | PP-Faser/Kraton/Gel, Schraubklemmung, ergotec |
Hinterrad | 20″ Alu Big Bull Hohlkammerfelge, verstärkte Speichen, schwarz |
Vorderrad | sehr stabile 16″ Felge, 36 Loch, schwarz |
Reifen | Schwalbe Big Apple |
Radschützer | vorne und hinten, matt-schwarz |
Der Kauf von einem Lastenfahrrad wird nun auch in einigen Städten staatlich subventioniert. Interesse? Dann schau mal in unserem Ratgeber Fördermittel für Lastenräder vorbei.
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