Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Entwicklungen um das Corona Virus unseren Alltag bestimmen, merkt man, wie wichtig das Fahrrad für unsere alltägliche Mobilität ist. Ganz wichtig dabei: eine gut funktionierende Infrastruktur in den Städten, denn so macht es noch mehr Spaß. Hierbei spielen Radentscheide eine bedeutende Rolle. Ein Bericht über die Entwicklung des Radentscheids in Frankfurt und was sich seither schon verändert hat.
Es kann losgehen! 
Mit dem goldenen Fahrrad und einem Plakat auf dem Römerplatz fing am 04. April 2018 alles an – der Radentscheid Frankfurt stellte seine Forderungen für eine bessere Fahrrad-Infrastruktur an die Stadt Frankfurt. Das goldene Fahrrad diente dabei als Symbol. Heute, fast zwei Jahre später, ist das goldene Fahrrad wieder Geschichte und hat seinen Platz in dem Keller eines Radentscheid-Mitglieds gefunden. “Bis zur nächsten Aktion!”, lacht Rebecca Faller, Kernmitglied beim Radentscheid Frankfurt.
Radentscheide in Deutschland – Die Anfänge
Radentscheide gibt es mittlerweile in vielen deutschen Städten, unter anderem Darmstadt, Nürnberg, München und Stuttgart. Wie alles angefangen und was es damit auf sich hat, fassen wir hier noch einmal kurz für euch zusammen:
Ein Radentscheid einer Stadt ist eine Bürgerinitiative, die sich für die Verkehrswende und die Förderung des Radverkehrs einsetzt. Der erste Radentscheid, der von der Initiative Changing Cities e.V. ins Leben gerufen wurde, startete 2016 in Berlin. Die Initiatoren überreichte dem Berliner Senat den Antrag auf ein Volksbegehren für eine „sichere und komfortable Radinfrastruktur“. Auf diesen Antrag verzichteten sie letztendlich jedoch, da der Senat die Forderungen auch ohne Volksbegehren weitestgehend übernahm. Im Juli 2018 beschloss das Abgeordnetenhaus daraufhin das Berliner Mobilitätsgesetz, welches eine zukunftsorientierte Mobilität anstrebt und hierfür unter anderem dem Radverkehr eine besondere Rolle zuschreibt. Durch das erfolgreiche Beispiel aus Berlin haben sich auch in anderen Städten und Bundesländern Deutschlands Radentscheid-Initiativen gegründet, teils mit Unterstützung des ADFCs, dem Verkehrsclub Deutschland oder Changing Cities selbst.
Auch in Frankfurt tut sich was
Der Radentscheid Frankfurt, mit mittlerweile ca. 70 Mitgliedern, wurde am 08. März 2018 gegründet. Die Vision der Mitglieder: “Ob 8 oder 88 Jahre alt – Jeder Mensch soll die Möglichkeit haben, sich sicher, zügig und angstfrei mit dem Rad durch Frankfurt zu bewegen. Dazu braucht es eine zukunftsgerichtete Verkehrspolitik, gute Radwege und sicher gestaltete Straßen.“, fordert Rebecca Faller, Kernmitglied beim Radentscheid Frankfurt.
Schnell waren die Forderungen an die Stadt Frankfurt klar:
- Sichere Radwege für alle
- Fahrradfreundliche Nebenstraßen
- Durchgehende Fahrradtrassen
- Sichere Kreuzungen
- Mehr Fahrradparkplätze
- Fahrradfreundliche Verkehrspolitik
Durch verschiedene Kampagnen möchte der Radentscheid Frankfurt zudem auf die allgemeine Wichtigkeit des Fahrrads hinweisen und beispielsweise über gefährliche Situationen im Straßenverkehr aufklären.
Was ist seitdem passiert?
Um ihre Ziel zu erreichen, strebte der Radentscheid Frankfurt einen Bürgerentscheid an. Für das vorher notwendige Bürgerbegehren wurden im Sommer 2018 innerhalb kürzester Zeit 40.000 Unterstützer-Unterschriften gesammelt – nur 15.000 Unterschriften wären eigentlich nötig gewesen. Diese 40.000 Unterschriften wurden im August 2018 bei der Stadt Frankfurt eingereicht. Danach hieß es erst einmal: warten, warten, warten, da die Unterschriften zunächst auf ihre Rechtsgültigkeit geprüft werden mussten. Um am Ball zu bleiben, arbeitete der Radentscheid Frankfurt nun konkrete Vorschläge für die Umsetzung der Forderungen aus und präsentierte bei einer öffentlichen Veranstaltung im Studierendenhaus der Goethe Uni die erarbeitete Radnetzplanung der Öffentlichkeit. (#NeueWegeFfm)
Erst im Winter 2018 kam dann die erste Rückmeldung der Stadt: Bei den Forderungen bestünden rechtliche Probleme. Während einer erneuten Prüfung startete der Radentscheid weitere Aktionen und versuchte, Aufmerksamkeit über die Presse zu generieren, um weiter auf das Thema und dessen Dringlichkeit hinzuweisen – unter anderem mit dem Pop-Up Radweg oder Demonstrationen auf dem Frankfurter Römer. Mit Erfolg: Ein paar Wochen später bot die Stadt Frankfurt Gespräche an, um einem bevorstehenden Bürgerentscheid zuvor zu kommen. In acht Verhandlungsrunden zwischen Stadt und Radentscheid wurde daraufhin intensiv über die Forderungen diskutiert.
Im Juni 2019 war es endlich so weit!
Das umfangreiche Maßnahmenpaket „Fahrradstadt Frankfurt am Main“ für einen besseren Radverkehr in der Stadt wurde beschlossen! Der Radentscheid Frankfurt verzichtete daraufhin auf eine weitere Verfolgung des Bürgerentscheides. Am 29. August 2019 stimmte die Stadtverordnetenversammlung dem Radentscheid-Paket offiziell zu. Der Koalitionsantrag enthält weitestgehend konkrete Festsetzungen und Maßnahmen für die Forderungen des Radentscheides. Unter anderem:
- 75km neue Radwege bis 2023
- Radwege nach neuem Standard: mindestens 2,30 Meter Regelbreite und baulich von anderen Verkehrsarten getrennt
- sichere Radwege für alle – auch für Kinder und Senior*innen
- Sichere Kreuzungen für den Fuß- und Radverkehr
- Grüne Welle für Radfahrer*innen
- 6.000 neue Fahrradparkplätze
- mehr Geld für den Radverkehr
Darüber hinaus werden Hauptstraßen, Nebenstraßen, Kreuzungen und Trassen konkret benannt, die prioritär umgesetzt werden sollen. Zudem finden sich darin Themen, die nicht Teil der Forderungen des Bürgerbegehrens sind: insbesondere die Einrichtung von Fahrradstraßen sowie auch die Einführung einer Fahrradstaffel bei der Polizei, um Verkehrssünder*innen konsequenter verfolgen und bestrafen zu können. Alle diese Maßnahmen werden auch durch entsprechende Finanzmittel abgesichert, sowohl für das zusätzliche Personal (Polizei und Planer*innen-Stellen) als auch für die baulichen Maßnahmen.
Einzelne Maßnahmen sind bereits umgesetzt worden:
- Radwegemarkierungen (teilweise baulich getrennt) an der Schönen Aussicht und Kurt-Schumacher-Straße / Konstabler Wache / Konrad-Adenauer-Straße
- Umgestaltung der Hanauer Landstraße hat begonnen: Die ersten Poller und Radbügel sind bereits installiert.
- Einführung einer Fahrradstaffel (10 Personen) bei der Polizei
- 8 neue PlanerInnenstellen bei der Stadt ausgeschrieben
- ca. 2.200 neue Fahrradparkplätze geschaffen